Wissen ist Macht und die Macht des Volkes sollte nicht ausschließlich in den Händen einiger weniger Vertreter liegen. Vor allem nicht ohne eine Form der Kontrolle.
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 5, Absatz 1
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Informationsfreiheit ist ein Bürgerrecht
Eine Demokratie lebt von der aktiven Teilnahme und Einbringung ihrer Bürger. Unabdingbar an der Gestaltung der Demokratie ist Wissen. Wissen, welches unter anderem in Form von Haushaltsdaten, Gutachten, Kostenplanungen und ähnlichen Dokumenten bei allen Verwaltungen liegt, sollte nicht nur einem kleinen Teil derjenigen zustehen, welche es finanzieren. Behörden verstecken sich bei Anfragen viel zu häufig hinter dem sogenannten “Amtsgeheimnis” (ein denkbar schlechtes Wort, wenn man bedenkt wer wem dienen sollte) oder suchen Ausflüchte mit der Begründung eine Veröffentlichung sei unvereinbar mit dem Datenschutz – bei Meldedaten kümmert es den Staat jedoch wenig.
Transparenz
Transparenz ist unverzichtbar in einer Demokratie, da sonst eine direkte Kontrolle der Regierenden durch die Bürger unmöglich stattfinden kann. Ein Gesetz zur Freiheit der Information hilft somit, mehr Transparenz und mehr Vertrauen zu schaffen. Mehr Transparenz schafft Vertrauen nicht ab, viele Volksvertreter haben schlicht vergessen dass sie einen Vertrauensvorschuss in Form ihrer Wahl bekommen haben. Denn es gibt mehrere Aspekte der Transparenz. Der gerne gebrachte Spruch “Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten!” gilt auch für die Verwaltung, nicht ausschließlich für die Verwalteten. Unsere “Verwalter” zeigen leider immer öfter, dass sie dieses Vertrauen teilweise nicht verdienen. Für diese Fälle würde ich “Transparenz erschafft [wieder] Vertrauen” für geeigneter halten. Außerdem ist nicht außer Acht zu lassen, dass es noch einen weiteren Aspekt der Transparenz gibt. Wenn Bürger zum besseren Verständnis und zur Förderung der Teilhabe am politischen Prozess beispielsweise Haushaltsdaten erfragen, so schafft dies in keinster Weise Vertrauen – an oder ab. Dennoch weigerten sich Behörden gegen die Herausgabe der vorhandenen Rohdaten. Es geht allerdings auch anders, wie man am Beispiel Frankfurt (Main) sieht – Visualisierung auf Frankfurt Gestalten und im zugrunde liegenden Open-Spending Projekt. Die Daten kommen vom Stadtkämmerer. Das hat etwas mit Transparenz zu tun, nicht jedoch mit fehlendem Vertrauen.
Informationsfreiheitsgesetz
Viele Nationen haben dies schon lange erkannt und entsprechende Gesetze geschaffen – der “Freedom of Information Act” (FOIA) der Vereinigten Staaten von Amerika
(von 1966) sei als Beispiel genannt. Laut einer internationalen Vergleichsstudie von Informationsgesetzen (2012) ist Deutschland auf dem fünftletzten Platz – von 89 Ländern. Selbstverständlich sollte die Studie des “Centre for Law and Democracy” auch kritisch hinterfragt werden. Aber auch innerhalb der OECD-Staaten gehörte Deutschland zu den letzten Staaten die ein entsprechendes Gesetz verabschiedet haben.
In 2006 hat die deutsche Bundesregierung einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht und ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) für Behörden des Bundes verabschiedet. Viele Bundesländer zogen nach und haben ähnliche Gesetze für Behörden auf Landes- und Kommunalebene geschaffen. Nur fünf hinken aktuell noch hinterher – Hessen, Bayern, Sachsen, Niedersachsen und Baden-Württemberg. In Baden-Württemberg will die FDP schon seit langem ein IFG einrichten, hatte aber nicht genügend Courage sich dem ehemaligen Koalitionspartner entgegenzustellen. Die jetzt regierende Koalition aus Grünen und SPD hat eine solche Forderung dank der Grünen im Koalitionsvertrag und scheitern nun (hoffentlich nicht) an der SPD. Grund für die FDP Ba-Wü, die Grünen hämisch an deren Wahlkampfversprechen zu erinnern und dabei “im Sinne der christlichen Nächstenliebe” helfen zu wollen indem ein eigener Gesetzesentwurf eingebracht werden soll. Das könnte sich die FDP in Bayern auch einmal zu Herzen nehmen und ihren Koalitionspartner überzeugen 😉 Interessanterweise ist die FDP Bayern sogar an dem Bündnis Informationsfreiheit für Bayern beteiligt. Immerhin haben 48 bayrische Städte das Versäumnis der dortigen CSU/FDP Regierung durch eigene Informationsfreiheitssatzung ausgeglichen. 4 weitere Städte arbeiten zur Zeit eine solche aus. Das könnte ein gutes Vorbild für die verbleibenden vier Bundesländer sein (wenn wir davon ausgehen, dass Baden-Württemberg ein Gesetz auf Landesebene noch schafft).
Transparenzgesetz vs. Informationsfreiheitsgesetz
Hamburg hat als erstes Bundesland ein sogenanntes Transparenzgesetz (hier abrufbar). Das ist eine Weiterentwickelung der Informationsfreiheitsgesetze in Richtung Open Data. Es sorgt dafür dass die Verwaltung von sich aus (ohne spezifische Anfrage) Daten im Internet bereitstellt. So müssen beispielsweise Gutachten, Baugenehmigungen und Geodaten bereitgestellt werden. Ab Oktober 2014 wird eine für jeden zugängliche Datenbank bereitstehen, in welcher diese Datensätze kostenlos und anonym bereitstehen. Bis dahin können die gewünschten Informationen – soweit sie nicht z.B. wegen dem Schutz persönlicher Daten nicht veröffentlicht werden können – wie bei einem IFG angefragt werden. Dies gilt auch nach Oktober 2014 für Daten, die nicht in der Datenbank vorab veröffentlicht werden.
Das Gesetz wurde nur wegen einer Volksinitiative “Transparenz schafft Vertrauen” auf den Weg gebracht und stellt das beste aktuell in Kraft getretene Gesetz zu diesem Themengebiet dar.
Anwendung
Um eine Anfrage nach IFG/IFS zu stellen genügt eine eMail oder ein Telefonanruf bei der entsprechenden Stelle. Die Anfrage schriftlich – auf Papier – zu stellen, kann jedoch sicherlich auch nicht schaden, sollte es im Nachhinein zu Problemen kommen. Die Anfrage muss nicht begründet werden. Die Behörde muss antworten und das auch zeitnah (eigentlich binnen eines Monats). Eine Alternative bietet seit einem guten Jahr das Portal Frag den Staat der Open Knowledge Foundation. Dort kann per Mausklick oder Webformular eine Anfrage gestellt werden.

Es gibt allerdings Ausnahmen, in denen eine Auskunft verweigert werden kann. Nachrichtendienste sind beispielsweise komplett ausgenommen und auch andere sicherheitsrelevante Daten können nicht erfragt werden. Verbleibende Gründe sind (beim Bundes-IFG) u.a. dann auch wieder Datenschutzbedenken, öffentliche Belange und “Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse” oder aber auch “geistiges Eigentum”. In der Praxis führte das bisher zu einigen Klagen – bei welchen die Kläger relativ häufig Recht zugesprochen bekommen. Beispielsweise die Gästeliste von Herrn Ackermanns Geburtstagsfeier im Bundeskanzleramt. Bei anderen Anfragen verschanzt sich die Behörde dann auch regelrecht hinter Ausflüchten – wie an diesem Beispiel zu sehen.
Wurde eine Anfrage abgelehnt, besteht die Möglichkeit Widerspruch einzulegen und danach kann vor dem Verwaltungsgericht dagegen vorgegangen werden.
In einigen Fällen kommen die Informationen mit Begleitschreiben, dass sie nicht veröffentlicht werden dürfen. Seit “Frag den Staat” kann das sich dann aber auch ändern. Eine Information, welcher jeder erfragen kann, kann auch veröffentlicht werden – sollte man meinen. Beim oben beschrieben Fall der Ackermann-Gästeliste, kam das Bundeskanzleramt zuerst einmal auf die Idee, die Veröffentlichung zu untersagen. Nachdem dann über 800 Menschen die Dokumente angefordert haben, kam man von einem Veröffentlichungsverbot dann jedoch wieder ab 😉 Der CCC hat gemeinsam mit digitalcourage (ehemals FoeBud) ein Portal zur Veröffentlichung und auch Recherche von Akten erstellt – Befreite Dokumente. Bei Anfragen über “Frag den Staat” werden die Antworten (und auch die Anfragen) direkt veröffentlicht (leider noch nicht parallel auf beiden Webseiten).
Zu erwähnen sind noch die Gebühren. Diese können (beim Bundes-IFG) bis zu 500 EUR betragen. Die meisten sind jedoch umsonst oder deutlich günstiger. In dem Evaluationsbericht zum IFG des Bundes ist dazu auch eine Übersicht enthalten. Dieser Bericht setzt sich auch kritisch mit der Handhabung der Gebühren auseinander. Aus meiner Sicht gibt es für beide Seiten gute Argumente. Eventuell wäre eine befristete Aufhebung der Gebühren mit Einschränkungen auf Vielabfrager ein möglicher Weg – am besten Verbunden mit einer Re-Evaluation.
Aus der Statistik des Bundes zu den IFG Anträgen 2011 (die Statistik von 2012 steht noch aus) lässt sich erkennen dass 86 % aller Anfragen kostenfrei blieben. Bei 6 % aller Anfragen wurden weniger als 50 EUR in Rechnung gestellt, bei 3 % zwischen 50 und 100 EUR und bei 5 % aller Anfragen wurden mehr als 100 EUR berechnet.
Das Informationsfreiheitsgesetz in der Praxis
Stefan Wehrmeyer von Frag Den Staat hat in seinem Vortrag auf dem Chaos Communication Congress beschrieben, dass über Frag den Staat 2311 Anfragen (inkl. der verfügbaren Bundesländer) gestellt wurden. Immerhin 47 % davon liefen erfolgreich. Die Liste mit den Gründen für eine Ablehnung der Anfrage führt “Gesetz nicht anwendbar” vor “Schutz von geistigem Eigentum und Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen” an.
Bezogen auf das Bundesgesetz weist die oben erwähnte Statistik des Innenministeriums 3280 Anfragen im Jahr 2011 aus. Davon wurden 48 % der Anfragen stattgegeben und die gewünschten Informationen übersandt – was in Analogie zu den (aktuelleren) Zahlen von Stefan steht.
Informationsfreiheit in Hessen
Auch in Hessen lässt sich die FDP als ehemalige Partei der Bürgerrechte und der Freiheit weiterhin von der CDU klein halten (wie in Baden-Württemberg als sie in der Regierungskoalition waren oder aktuell noch in Bayern). Vielleicht sollten beide Parteien an den Titel ihres (aktuell noch gültigen) Koalitionsvertrages erinnert werden – “Vertrauen. Freiheit. Fortschritt.”
Die Grünen haben gemeinsam mit der SPD 2010 einen entsprechenden Gesetzesentwurf eingebracht. Das die CDU auch anders kann hat sie in Rheinland-Pfalz und im Saarland bewiesen – beide Bundesländer haben ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht. Ein IFG, oder noch besser ein Transparenzgesetz ist in Hessen längst überfällig.
Informationsfreiheitssatzungen auf (hessischer) Kommunalebene
Parallel zu den Bestrebungen auf Länderebene könnte sich auch kommunal schon etwas bewegen. Das haben auch schon einige Städte erkannt. In Wiesbaden versucht sich die Piraten-Linksfraktion daran. Auch in Offenbach gibt es solche Bestrebungen. Die regierende Koalition aus SPD, Grünen und Freien Wählern stellte einen diesbezüglichen Prüfantrag – welcher eine Reaktion auf einen Antrag der Offenbacher Piraten war. Daraufhin behauptete der Direktor des hessischen Städtetages auf die Anfrage der Stadt Offenbach, dass „auf der Basis hessischen Rechts [eine Satzung] nicht darstellbar” sei. Frankfurt hat letztes Jahr aber noch Gegenteiliges bewiesen – ohne das darüber groß berichtet wurde. Die schwarz-grüne Koalition hat eine IFS verabschiedet, welche auf einen Vorschlag der Fraktion der Europaliste Frankfurt und der Piraten beruht. Die Piraten in Kassel und Gießen versuchen sich ebenfalls daran.
In einem Artikel erklärt der Städtetag auch wieso sie gegen Informationsfreiheit sind:
Zu beiden Gesetzentwürfen hatte sich der Hessische Städtetag kritisch geäußert, weil die dort vorgesehenen weitreichenden neuen Rechtspositionen zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand bei den Kommunen geführt hätten.
Gerade aber auf kommunaler Ebene ist ein Informationsfreiheit als sehr wichtig zu betrachten – in der Prävention von Korruption, aber auch in der Stärkung des Interesses der Bürger für den Staat und seine Organe. Wie die Erfahrung in den Städten, Ländern und beim Bund zeigt, werden eine so geringe Anzahl Anfragen gestellt, dass dies ohne erheblichen Verwaltungsaufwand erledigt werden kann und bestimmt in Hessen auch könnte.
Auch Darmstadt müsste nicht untätig sein. Der grüne Oberbürgermeister sollte vielleicht an den Koalitionsvertrag mit der CDU erinnert werden und benötigt vielleicht Hinweise, wie Darmstadt die „Bürgerbeteiligung stärken” (Koalitionsvertrag Grüne-CDU, Seite 8) kann. Wenn sich Darmstadt ganz viel zutraut, dann könnte man es auch gleich richtig machen und die erste Transparenzsatzung (inklusive Open Data Initiative) auf den Weg bringen?